Wellness – Tourauftakt im Kölner „Studio 672“

Wellness live im Kölner Studio 672

Köln – Auf den schmalen Betonstufen runter zum legendären Kölner Kellerclub „Studio 672“ drängen sich kurz nach 20 Uhr ungeduldige 20- bis 50-Jährige. 8 € Eintritt, dann Jacke abgeben, das dauert heute Abend länger als sonst.

Denn der Club ist rappelvoll. Mehr als 400 Leute wollen Wellness live. Die Kölner Band, die Anfang der Woche ihr erstes Album „Immer Immer“ veröffentlicht hat, gilt seit ihren Auftritten mit Wanda als neue Hoffnung der deutschsprachigen Indiemusik.

Pünktlich eine Stunde zu spät fragt Sänger Matthias Sänger (kein Fehler) in die erhitzte Menge: „Wir spielen jetzt das komplette Album! Habt ihr Bock drauf?!“. Der Jubel geht unter im Opener „Bazooka“, der klarstellt, was Wellness da auf der 18 qm Bühne Faszinierendes macht: Die 4-köpfige Band hat sich dem Surf-Sound der frühen 1960er verschrieben, als kalifornische Bands wie The Tornadoes mit „Bustin‘ Sufboards“, The Lively Ones mit „Surf Rider“ und Link Wray & His Ray Men mit „Rumble“ Hits landeten, naja, und dann Mitte der 1960er dank der British Invasion massiv uncool klangen und aus den Charts verschwanden.

Genau diesen Retro-Sound packte Quentin Tarantino auf seinen Soundtrack zu „Pulp Fiction“ und löste Mitte der 1990er neue Begeisterung für den melancholischen, von Staccato-Gitarren getriebenen, halligen Surf-Sound aus. Ein Sound, der Wellness Gitarrist Lars Germann immer faszinierte und so zum ersten Song „Exit, Exit“ und 2015 damit zum Startpunkt für Wellness führte.

Wellness live, der Club singt mit

Und da stehen die Vier und spielen mit stilechten Instrumenten, wie der Fender Jaguar, der Gretch Gitarre und dem Epiphone Bass, ihren „Indie mit Surfbeat und deutschen Texten“, wie sie ihre Musik selbst umschreiben, im Rotlicht auch einer 3,95 € Ikea Retro-Design-Lampe.

„Was du denkst“, der vielleicht beste Song ihres Albums, bringt den Club zum Mitsingen, den unwiderstehlichen Refrain „Und ja ich sag dir, was du denkst, du denkst, du denkst“ und – Überraschung – die Leute kennen auch die Strophen. Und die Menge tanzt. Das hört ab sofort nicht auf. Die Surfbeat-Melancholie der Songs trägt: „Aloha Arne“, „Duell“, „Besucher“ („Meine Zuflucht ist dein Zuhause, dafür ist mir kein Weg zu weit…“).

Wellness live im Kölner Studio 672

Matthias Sänger hat keine Superstarstimme, er hat Charisma

Und dann die wundervolle Ballade „Endlich endlos“, die Sven Regener von Element of Crime garantiert auch gerne geschrieben hätte. Überhaupt teilt Wellness mit Element of Crime so einiges: angefangen beim Sound, über den Hang, jedem Song auch etwas von einer Chanson-Traurigkeit zu verpassen und dazu einen starken Frontmann. Nein, da ist keine Superstarstimme zu hören, dafür Charisma. Und die gesamte Band musiziert beneidenswert formidabel: Florian Bonn am Schlagzeug, Simon Armbruster mit phantasievollen Basslinien und Lars Germann verpasst an seiner blauen Fender Jaguar jedem Song seine Tracht Rhythmus und immer singbare, knackige Soli mit maximaler Länge von je 30 Sekunden.

Die Hitze im Club steigt, die Tanzbewegungen sind jetzt ausschweifender. „Heiße Liebe“ bringt wieder die Mitsinger im Publikum nach vorne. Den Song könnten Brings mit einer eigenen Adaption in den Kölner Karnvalskanon integrieren, kein Zweifel. Nach „Amnestie“ und „Transmitter“ kommt „Müdes Licht“, mit mehr als 5 Minuten der längste Song des Albums und dieses Abends – ein Vollbad in Melancholie, mit Saxophon und Trompete in die Extase geblasen.

In 11 Konzerten durch die Republik – Jungs, inszeniert euch!

Nach rund zwei Stunden ist das Album „Immer Immer“ gespielt, die beiden Zugaben durch und wir wissen: Wellness haben uns mit ihrem „Tarantino Pop“ (1LIVE) glücklich gemacht. Wir drängeln uns die Treppenstufen hoch in die viel zu warme Winterluft. Draußen sind sich einige einig, es geht weiter, keine 300 m rüber „Zum scheuen Reh“. Mit der Band noch ein Kölsch trinken. Das formidable Konzert heute ist der Auftakt zur Deutschlandtournee von Wellness. 11 Termine führen die Vier quer durch die Republik, die letzte Show spielen Wellness live in Berlin.

Auf dem Heimweg diskutiere ich mit meinem Nachbarn und Kumpel Matze: Würde die Band stärker wirken, wenn sie sich wie in ihrem Video zu „Was du denkst“ zu sehen in Retro-Anzüge werfen würde oder, wie heute Abend gesehen, auf die Bühne kommen, ausgebufft und abgelascht wie sie sind? Klares Urteil: Jungs, inszeniert euch!

Mehr von Wellness

Video von Was du denkst, erschienen auf ihrem Debutalbum „Immer Immer“. Das Video hat die Band im Köln-Ehrenfelder Club King Georg gedreht.

Website von Wellness – Die Band mit ausgewählten Videos und frischen News der Band.

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